Mut und Verstand. Verstand und Moral

Rainer Wisiak hat Harald Walser – zur Zeit des Interviews Bildungssprecher der GRÜNEN – zum „Grünen Bildungsprogramm“ sowie zu aktuellen Entwicklungen in der Bildungspolitik befragt.

Foto: Reinhard Kraus

Herr Walser, Sie haben Germanistik und Geschichte an der Uni Innsbruck studiert und waren Mitbegründer und langjähriger Obmann der Johann-August-Malin-Gesellschaft. Vielleicht zu Beginn des Interviews einige Fragen an den Historiker Walser: Johann August Malin war …

Johann August Malin war ein Vorarlberger Widerstandskämpfer, der 1942 von den Nationalsozialisten wegen „Wehrkraftzersetzung, Vorbereitung zum Hochverrat und Verbreitung von Lügennachrichten ausländischer Sender“ in München-Stadelheim hingerichtet wurde.

In diesem Sinne eine Frage – gar nicht in pädagogischer Hinsicht, sondern mehr allgemein: Wogegen wäre es heute angebracht, Widerstand zu leisten?

Derzeit ist es angebracht, gegen eine unmenschliche Behandlung von Menschen in Not Widerstand zu leisten, derzeit ist es angebracht, deutlich zu machen, dass Flüchtlinge willkommen zu heißen sind und dass man ihnen ein Leben in Würde ermöglichen muss – und da ist sehr viel Widerstand notwendig gegen jene Kräfte, die das be- und verhindern.

Sie sind nicht nur Bildungssprecher der Grünen …

Richtig, ich bin auch vergangenheitspolitischer Sprecher der Grünen, das ist ein relativ großes Aufgabenfeld, dann bin ich auch noch im Verkehrsausschuss, im Innenausschuss, im Wissenschaftsausschuss, im Familienausschuss und in weiteren diversen Unterausschüssen – das Betätigungsfeld eines Politikers ist also relativ breit, aber natürlich ist mein Schwerpunkt die Bildungspolitik.

Gehen wir geschichtlich noch weiter zurück. Das Bildungsprogramm der Grünen trägt den Titel „Mut und Verstand. Verstand und Moral“ und bezieht sich auf einen Ausspruch von Kant. Ist Kant überhaupt noch aktuell?

Kant ist noch aktuell – nur ist die Gesellschaft natürlich jetzt eine andere als damals. Kant schreibt, denkt für den emanzipierten Bürger oder den Bürger, der sich emanzipieren kann, der nur den Mut haben muss, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Er definiert Aufklärung ja als Ausgang der Menschheit aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit. Heute muss man natürlich noch verschiedene andere Komponenten dazunehmen – man kann ja bei Kindern, die aus einer tristen sozialen Situation heraus nicht in der Lage sind, sich Bildung anzueignen, schlecht von selbstverschuldet reden.

Zum Programm. Steigen wir thematisch einfach bei jener Forderung im Grünen Bildungsprogramm ein, die da lautet: Ethikunterricht anstelle des Religionsunterrichts und konfessioneller Unterricht als Freifach. Stimmt das so?

Ich würde es ein bisschen anders ausdrücken: Ich trete für einen überkonfessionellen Religionen- und Ethikunterricht – Plural – als Pflichtfach ein. Ich halte Religion für etwas sehr Wichtiges in der Vermittlung, weil es unsere Kultur entscheidend mit beeinflusst hat, das ist überhaupt keine Frage. Ich glaube aber, dass die Herausforderung für Schule und Gesellschaft heute die ist, Menschen aus unterschiedlichen Kultur- und Religionskreisen gemeinsam über Werte diskutieren zu lassen. Und ich möchte deshalb die Erziehung von Kindern bezüglich Themen wie Sexualkunde, Todesstrafe oder die Stellung der Frau in der Gesellschaft weder einem fundamentalistischen katholischen Pfarrer noch einem in irgendeiner Form extremen muslimischen Religionslehrer überlassen, sondern ich möchte, dass das durch qualifizierte staatlich ausgebildete Fachkräfte stattfindet. Und ich möchte gleich dazu sagen: ein großer Teil des Religionsunterrichtes findet heute bereits als Ethik- und Religionsunterricht statt. Nur ist die jetztige Situation, glaube ich, nicht befriedigend, denn wir haben Klassen, wo ein großer Teil gar keine Konfessionen hat und wir haben Klassen, die sehr zersplittert sind, die 30% muslimische, 20% katholische und vielleicht 10% evangelische oder orthodoxe Kinder haben und ich sehe nicht ein, weshalb jede dieser Gruppen einen eigenen Religionsunterricht haben soll und ein Teil gar keinen, weil er konfessionslos ist, sondern ich glaube, dass man sich über das, was gesellschaftlich relevant ist, gemeinsam auseinandersetzen sollte.

Und wenn der konfessionelle Unterricht als Freifach gewählt werden könnte – wer sollte den finanzieren?

Ich glaube, dass wir da jetzt keinen Kulturkampf gegen die Kirchen eröffnen sollten, ich kann mir durchaus vorstellen, dass der Staat diesen konfessionellen Unterricht unterstützt.

Das tut er im Moment – geregelt durch das Konkordat – ja eh recht großzügig. Es kostet aber den österreichischen Staat, wie es die Initiative gegen Kirchenprivilegien aufgelistet hat, jährlich in Summe eine Milliarde Euro.

Der Betrag scheint mir etwas zu hoch gegriffen …

Wenn man alle konfessionellen Privatschulen (derzeit zum Beispiel 335 katholische und 30 evangelische Schulen, deren Lehrergehälter und Erhaltungskosten der Staat zahlt) und Pädagogische Hochschulen und Universitäten und auch die Pensionen aller ReligionslehrerInnen mit einbezieht?

Dann ergibt das natürlich ein breites Band …

Wenn man solche Beträge hört, ist es dann nicht verständlich, dass freie Schulen anklopfen und sagen: Ja wir bitte auch!

Vollkommen zu Recht!

Wie ist die Stellungnahme der Grünen dazu?

Wir sind für die Gleichstellung von nichtkonfessionellen mit konfessionellen Schulen, das heißt, ich sehe nicht ein, warum nichtkonfessionelle Privatschulen, die ja eine enorm wichtige Funktion in unserem Schulsystem ausüben, weil sie Alternativangebote haben, die das staatliche Schulsystem nicht anbietet, gegenüber konfessionellen Privatschulen benachteiligt sind. Diese Formulierung der Gleichstellung wurde übrigens gerade gestern in unserem „Leitantrag Bildung“ wieder verankert, der beim nächsten Bundeskongress beschlossen wird. Also nur, um den Stellenwert deutlich zu machen – da steht sogar im Leitantrag, der ja nur in relativ knapper Form die Bildungsphilosophie der Grünen ausdrücken soll, die Formulierung drin: Wir fordern die Gleichstellung nichtkonfessioneller Privatschulen mit konfessionellen Privatschulen.

Die Grünen sind momentan in fünf Landesregierungen vertreten, haben aber nirgendwo das Bildungsressort inne. Weil es von den etablierten Parteien nicht so gerne aus der Hand gegeben wird?

Auch, aber es hängt noch mit etwas anderem zusammen: Es sind viele Posten zu vergeben – und das haben Parteien gerne.

In Vorarlberg konnten die Grünen ja eine wesentliche Forderung ihres Programms – die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen – gemeinsam mit der ÖVP umsetzen.

Ja, und ich halte das auch für den größten Erfolg der Regierungsverhandlungen – das ist einzigartig! Daran sind Rot und Schwarz seit Otto Glöckel jetzt hundert Jahre lang gescheitert – seit 1920 geht diese Auseinandersetzung. Und wenn das jetzt in Vorarlberg gelingt, dann ist das ein Jahrhundertereignis – bildungspolitisch!

Neben der Gesamtschule und dem Ethikunterricht – was wären noch wesentliche Bestandteile des Grünen Bildungsprogramms?

Also, einer der für mich wesentlichsten Bestandteile ist eine Aufwertung der Kindergartenpädagogik. Ich glaube, da liegt vieles im Argen, das beginnt bei der Ausbildung der KindergartenpädagogInnen. Österreich ist inzwischen das einzige Land in Europa, das es nicht schafft, die KindergartenpädagogInnen auf tertiärem Niveau – also auf Hochschulniveau – auszubilden. Bis vor zwei Jahren haben wir immer noch gesagt: es gibt zwei Länder – Malta und Österreich. Im Gegensatz zu Österreich hat Malta aber die Zeichen der Zeit erkannt und hier eine entsprechende Reform umgesetzt. Wir haben vorletztes Jahr beschlossen, die LehrerInnen-Ausbildung neu zu organisieren – und haben diesen ganz zentralen Bereich leider nicht berücksichtigt. Das ist falsch, weil die Ausbildung nicht jenes Niveau hat, das wir brauchen. Es ist falsch, weil Berufsentscheidungen nicht schon mit 14 Jahren fallen können, wie sie derzeit fallen müssen, wenn ich eine BAKIP (Bundesbildungsanstalt für Kindergartenpädagogik) besuchen möchte. Und es ist unökonomisch, weil derzeit aufgrund der schlechten Bezahlung oft nur ein Viertel bis ein Drittel der AbsolventInnen der Bakips auch wirklich in einem Kindergarten zu arbeiten beginnen. Es ist also eine extrem teure Ausbildung, die ihren eigentlichen Zweck – nämlich genügend und gutes Personal zu rekrutieren – nicht erfüllt. Also: dringender Reformbedarf! Das wäre für mich ein ganz wesentlicher Punkt.

Die Ausbildung auf Uni-Niveau anzuheben, was letztlich auch zu höheren Löhnen führen würde?

Natürlich. Ich gehe davon aus, dass wir (wird laut) ALLE Pädagoginnen und Pädagogen in unserem Bildungssystem gleich bezahlen, weil sie eine gleichwertige Ausbildung haben. Es ist nicht einzusehen, dass zum Beispiel mein Berufsstand – AHS-Lehrer – derartig bevorzugt ist: höchste Bezahlung, geringste Lehrverpflichtung, höchstes Sozialprestige, geringste Arbeitszeit. Das ist nicht nachvollziehbar, das ist ungerecht! Und alle sagen in den Sonntagsreden: der elementarpädagogische Bereich ist wichtig, die Volksschule ist entsprechend wichtig. Ja, das muss sich auch zeigen, das muss ich als Staat beweisen, dass das wichtig ist. Das Gehalt ist dabei nicht das einzige, ist aber ein Beispiel für die Wertigkeit eines Schultyps.

Die Schullandesrätin von Vorarlberg hat gemeint, bis die Gesamtschule dort flächendeckend umgesetzt ist, wird es noch 8 – 10 Jahre dauern. Eine solche Forderung nach Aufwertung der Elementarpädagogik klingt nach 100 Jahren …

Das klingt sicherlich nach mehr Jahren. Das Problem der Politik, nicht nur, aber speziell in Österreich, ist, dass wir bei politischen Maßnahmen nur von einer Wahl bis zur nächsten Wahl denken. Verantwortliche Politik denkt aber an die nächste Generation. Und wenn ich Bildungspolitik mache, kann ich nur Bildungspolitik für die nächste Generation machen und ich muss mir im Klaren sein, dass, sagen wir, wenn ich in verantwortlicher Position gute Reformen umsetze, ich nicht derjenige oder diejenige sein kann, die dann auch die Ernte dafür einfährt – weil das langwierige Prozesse sind. Da braucht es auch ein Umdenken in der Pädagogik. Und wir versuchen das in unserem Leitantrag anders als andere auch so zu formulieren. Wir haben die Themen jetzt dort nicht aufgeteilt nach Elementarpädagogik – Schule – Universität, sondern wir haben dort zum Beispiel das Motto „Partizipation, Teilnahme, Demokratisierung des Systems“. Eine andere Überschrift heißt „Zeit lassen“. Kinder brauchen Zeit! Es ist unverantwortlich, so zu tun, als ob Kinder im gleichen Alter zu jedem Zeitpunkt genau dieselbe Leistungsfähigkeit hätten und es kann sein, dass der eine Sechsjährige vielleicht ein/zwei Lernjahre Vorsprung gegenüber einem anderen hat. Deshalb müssen wir sie aber nicht trennen, sondern wir müssen schauen, dass wir ein flexibles System haben, in dem Kinder individuell ihre Zeit und ihre Geborgenheit finden.

Diesbezüglich gibt es ja schon zig private Schulinitiativen, die das nicht seit Jahren, sondern schon seit Jahrzehnten so vorleben. Dennoch sind die Subventionen der freien Schulen seit 2012 um 25 % zurückgegangen, weshalb es jetzt im Oktober ja auch zu einer großen Protestkundgebung der freien Schulen vor dem Unterrichtsministerium kam.

Also, ich halte mich für einen Vorkämpfer der Subventionen und ich habe mit der damaligen Unterrichtsministerin Claudia Schmid noch ausgehandelt, dass die Subentionen erhöht werden – und sie sind ja auch auf 1000 € pro Jahr pro Kind erhöht worden. Das ist natürlich immer noch zu wenig, aber es war gegenüber der vorangegangenen Situation mehr. Wenn wir jetzt von einem Rückgang sprechen, dann ist das keine Budgetkürzung, sondern darauf zurückzuführen, dass wir heute deutlich mehr Kinder in alternativen Privatschulen haben, der Budgetposten aber gleich geblieben ist – was dazu geführt hat, dass die Förderung pro Kind auf 750 € gesunken ist. Aber: Vollkommen klar – das ist kein Zustand. Das muss verändert werden!

In meinem Interview mit Matthias Strolz meinte dieser: „Mit dieser Regierungskoalition SPÖ/ÖVP wird es für die freien Schulen keine Lösung geben, weil die das einfach nicht wollen, weil sie auch den Machtzugriff auf das Schulsystem weiter bei sich halten wollen und die freien Schulen sind für sie so etwas wie ein Ausdruck von Kontrollverlust.“ Können Sie diesem Zitat zustimmen?

Ja, das ist ganz klar so! Was wir dringend brauchen – und das ist auch für uns eine ganz zentrale Forderung: nicht die Politik muss raus aus der Schule, sondern die Parteipolitik! Schulen sind politische Orte. Wir müssen aber dafür sorgen, dass der parteipolitische Zugriff auf die Schulen Richtung Null dezimiert wird, dass wir das ganze System demokratisieren, dass wir Mitbestimmungsmöglichkeiten für alle Beteiligten wie zum Beispiel Schulgemeinschaftsausschüsse schaffen, nicht nur in der Oberstufe/Sekundarstufe 2, wie wir es derzeit haben, sondern dass Betroffene mitreden und mitbestimmen können und dass wir wegkommen vom jetzigen System, wo halt schlussendlich über die Landesschulräte – die immer noch nach Parteiproporz zusammengestellt sind – entsprechende Posten vergeben werden. Also: Parteipolitik muss raus aus der Schule.

Das Parteibuch ist also immer noch das wichtigste Buch in den Schulen?

Ich würde meinen, das hat sich insofern ein bisschen gebessert, als die sogenannten Großparteien nicht mehr so groß sind und teilweise auch nicht mehr in der Lage sind, alle Posten, die sie gerne vergeben würden, auch zu besetzen, weil sich nicht mehr so viele Menschen zu ihnen bekennen. Also insofern ist es ein bisschen besser geworden, aber es ist immer noch kein befriedigender Zustand. Wie gesagt: Grundsätzlich brauchen wir ein System, in dem vor allem einmal die Betroffenen mitreden: Eltern, Schülerinnen, Schüler, Lehrerinnen, Lehrer. Ich kann mir aber auch die Einbindung des gesellschaftlichen Umfeldes vorstellen, in dem das stattfindet, sprich: der Gemeinden – wobei ich jetzt nicht möchte, dass der Bürgermeister die SchuldirektorInnen bestimmt. Aber ich glaube, dass wir Gemeinden oder Schulträger – das können Vereine, Elternverbände oder Einrichtungen wie Kirchen sein, da gibt es ja schon viele funktionierende Modelle – dass wir da die Verantwortlichen mit einbinden sollten.

Stichwort „Schulautonomie“ …

Richtig. Und innerhalb der Schule dann, so würde ich meinen, sollen dann die Betroffenen das Sagen haben, anders ausgedrückt: Wie ich unterrichte, wie ich den Tag gestalte – Stichwort Stundenplan – das muss man nicht am Minoritenplatz (Anm.: Sitz des Bundesministeriums für Bildung und Frauen) in Wien entscheiden, auch nicht im Landesschulrat in St.Pölten, in Bregenz oder Innsbruck, sondern das muss vor Ort entschieden werden. Die Schulen müssen in der Lage sein, beispielsweise wegzukommen von diesem Fächerkanon, den wir jetzt haben. Sie müssen in der Lage sein, von den 50-Minuten-Einheiten wegzukommen. Wenn wir wollen, dass Kinder vernetzt denken, dann müssen wir auch vernetzt unterrichten! So kann es ja nicht sein: jetzt habe ich in der ersten Stunde Englisch, in der zweiten Stunde Deutsch, dritte Stunde Mathematik, vierte Chemie und dazwischen habe ich vielleicht noch eine Turnstunde gehabt. Und alles hat miteinander nichts zu tun. Und am Schluss sollen die Kinder vernetzt denken? Das kann so nicht sein, wir brauchen da also völlig andere pädagogische Ansätze – und diesen Freiraum braucht die Schule.

Im November will die Regierung die Ergebnisse der von ihr einberufenen Bildungsreformkommission präsentieren. Werden das große Schritte sein?

Das kann jetzt aber nur eine rhetorische Frage sein, oder? (lacht herzlich) Das wird eine „Zwergerlreform“ werden, wo man viel heiße Luft verbreitet, aber die zentralen Punkte nicht angeht. Ich fürchte, es wird nicht einmal was die Schulverwaltung anlangt entsprechende Schritte geben.

Themenwechsel – von der Reformkommission zur Reformpädagogik. Wie machen Sie sich ein Bild vom Schulalltag in freien Schulen?

Ich habe immer wieder an freien Schulen hospitiert, wie beispielsweise in der Regenbogenschule in Graz oder in der Montessorischule in Altach. In der Lernwerkstatt Brigittenau war ich mehrfach, und dann werde ich natürlich immer wieder zu Diskussionen in Schulen eingeladen.

Lässt das ihr Zeitmanagement zu oder würden Sie das gerne vermehrt machen?

Sagen wir so: Es ist unbedingt notwendig, dass man das macht! Ich war jetzt zum Beispiel in der Sonderschule für Behinderte in Mäder, weil die dortigen Lehrkräfte mit meiner Positionierung keine große Freude haben, weil ich ja prinzipiell für die Abschaffung von Sonderschulen bin. Denn ich glaube, wenn wir „gemeinsame Schule!“ sagen, dann möchte ich alle Kinder drin haben, dann möchte ich nicht wegen Behinderungen oder wegen sonstiger Dinge ausgrenzen. Da ist dann natürlich der direkte Kontakt mit den Lehrkräften solcher Schulen sehr notwendig. Ich war übrigens auch in der Sonderschule in Reutte, um das dortige Konzept kennenzulernen. Da war ich sogar zwei Tage lang – das sind dann schon sehr beeindruckende Besuche.

Reuthe in Vorarlberg?

Nein, Reutte in Tirol. Dort hat der Direktor der Sonderschule sich die Aufgabe gestellt, sich sozusagen selber abzuschaffen. Dem ist es gelungen, dass im Bezirk Reutte heute ein inklusives Schulmodell besteht. Alle Sonderschul-Kinder sind ins Regelschulwesen integriert. Das ist eine Riesenleistung gewesen, die er dort vollbracht hat. Noch dazu unter schwierigen Bedingungen, weil das eine sehr gebirgige Gegend ist und es deshalb doppelt schwer ist – in Wien wäre das wesentlich einfacher. Aber mit viel Überzeugungsarbeit ist ihm das gelungen – das finde ich sehr beeindruckend. Ich war zum Beispiel auch in Südtirol, wo es ein inklusives Schulsystem gibt.

Auf ihrer Homepage beschreiben Sie einen Ihrer Grundsätze mit „Nit lugg lo“ – eine Übersetzung dafür für Nicht-Vorarlberger …

Dran bleiben! „Nit lugg lo“ bedeutet, dass man versucht, auch wenn es Widerstände gibt, wenn es Rückschläge gibt, dass man ein Ziel kontinuierlich verfolgt – manchmal über Jahre hinweg, auch wenn es mühsam ist.

Für die Grünen – vielleicht nun zum Schluss noch einmal zusammengefasst – heißen diese Ziele im Bildungsbereich …

Alles das, was ich bisher genannt habe: gemeinsame Schule, inklusives Schulwesen, Aufwertung der Kindergartenpädagogik, Aufwertung alternativer pädagogischer Konzepte – alle diese Dinge. Schule ist eine komplexe Angelegenheit, das kann man nicht so isoliert betrachten, man muss alles vernetzt sehen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Gerne.