Ein Interview mit Jane Goodall
Foto: Gert Lanser
Bekannt wurde die britische Verhaltensforscherin in den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts durch die Ergebnisse ihrer Langzeituntersuchungen mit Schimpansen im Gombe-Stream-Nationalpark in Tansania, wohin sie als junge Frau und ohne akademische Ausbildung dafür reiste. Wofür sie sich als Friedensbotschafterin der UNO und Ehrenratsmitglied des World-Future-Councils heute engagiert, darüber sprach die unermüdliche 84-jährige Aktivistin in einem Interview mit Rainer Wisiak.
Frau Goodall, das Magazin, in dem dieses Interview erscheinen wird, nennt sich „Freigeist – Zeitschrift für innovative Pädagogik“. Sie sind ja inzwischen in Ihrem Leben vielen Menschen begegnet, die sehr innovative Gedanken hatten oder sehr innovativ gehandelt haben, wie beispielsweise Michail Gorbatschow oder Nelson Mandela, um nur zwei von ihnen zu nennen. Weil ich neugierig bin: Wo konnten Sie Nelson Mandela treffen?
Ich habe Nelson Mandela auf einer großen Konferenz getroffen, es kam aber leider kein privates Gespräch mehr zustande, denn er war zu diesem Zeitpunkt schon sehr alt. Ich trage aber immer ein kleines Stück Kalkstein vom Gefängnis auf Robben Island bei mir, in welchem Mandela für 18 Jahre inhaftiert war und von dem aus er mit dieser bewundernswerten Fähigkeit zu verzeihen in die Welt hinausgetreten ist und es so schließlich geschafft hat, dieses furchtbare Apartheid-Regime zu beenden.
Das allererste Mal, dass ich meinen Fuß auf afrikanischen Boden setzte, war nämlich in Kapstadt und es war wunderschön. Aber plötzlich merkte ich: auf der Rückseite von Sitzen und auf den Türen zu Restaurants, Warteräumen oder sonstwo waren diese Schilder auf Afrikaans, die besagten: „Nur für Weiße!“ Und ich war so schockiert, entsetzt, weil ich so ganz anders erzogen wurde. Es war schrecklich und ich hasste es … aber seit damals habe ich ja große Veränderungen gesehen.
Mit Michail Gorbatschow war das anders, ihn habe ich einige Male getroffen und es war auch immer ein Übersetzer dabei …
In einem anderen Interview, das ich mit Arno Stern – dem Begründer des „Malortes“ in Paris – geführt habe, meinte dieser: „Ich habe in meinem Leben diese und jene wunderbaren Menschen getroffen, aber leider konnte ich Jiddu Krishnamurti nie persönlich begegnen.“ Wie würden Sie diesen Satz vervollständigen: Leider traf ich nie auf …
Ach du liebe Güte, Sie stellen mir aber schwierige Fragen (lacht) … leider traf ich nie auf … nun, leider habe ich bis jetzt noch nicht den Papst getroffen, denn seine Bemerkungen und Aussagen die Umwelt betreffend sind unglaublich faszinierend und für einen katholischen Papst ist er ausgesprochen offen und unverblümt. Deshalb würde ich mich freuen, ihn eines Tages treffen zu können.
Glauben Sie an eine Möglichkeit, ihn einmal treffen zu können?
Ich denke schon … und dann gibt es noch wen anderen, den ich gerne getroffen hätte, aber wahrscheinlich kennen Sie ihn nicht: Wolfgang Köhler. Er war ein deutscher Wissenschaftler und studierte Anfang des 20. Jahrhunderts das Verhalten von Schimpansen auf Teneriffa. Er schrieb auch ein Buch darüber mit dem Titel „Intelligenzprüfungen an Menschenaffen“ – es war wie eine Bibel für mich, niemand hatte je etwas Ähnliches in dieser Art geschrieben. Aber die herkömmlichen Wissenschaftler sagten: Man kann nichts von dem glauben oder übernehmen, was er sagt, denn er bezieht seine Aussagen auf Schimpansen in Gefangenschaft – also verlieren wir darüber keine weiteren Gedanken. Tatsache ist aber, dass er das Verhalten von Schimpansen wirklich verstanden hat – und sein Buch ist umwerfend … es ist gerade ein Nachdruck davon erschienen, auch auf Deutsch.
Er emigrierte noch vor dem Zweiten Weltkrieg nach Amerika. Ich habe zu spät erfahren, dass er dort noch lebt, sonst hätte ich sicherlich versucht, ihn treffen zu können, denn er hat die Schimpansen wirklich verstanden. Er sprach über deren Persönlichkeiten und deren Intelligenz, zu einer Zeit, als die meisten Ethologen (Wissenschaftler, die das Verhalten von Tieren studieren) mich kritisierten, weil auch ich darüber sprach, dass Schimpansen eine Persönlichkeit, Verstand und Gefühle haben – und auch dafür, dass ich ihnen Namen gab.
Und so kam es, dass ich, als ich nach meiner Forschungszeit in Afrika nach Cambridge kam, um mein Doktorstudium zu machen, dachte, ich hätte in Afrika alles falsch gemacht. Aber glücklicherweise hatte ich, als ich ein Kind war, einen großartigen Lehrer, der mir beigebracht hat, dass in dieser Hinsicht all diese anderen cleveren Wissenschaftler irrten – und dieser Lehrer war mein Hund! (lacht 🙂 Denn man kann seine Absichten und Gefühle vor einem Hund, einer Katze oder einem Pferd nicht verbergen, weil diese Tiere natürlich Persönlichkeit, Verstand und Gefühle haben. Nun, letztlich habe ich ja meinen Weg gefunden und auch den Doktortitel bekommen … und so konnte ich langsam diese Veränderung starten, dass die Menschen mehr und mehr zu akzeptieren beginnen, dass wir nicht die einzigen Lebewesen auf diesem Planeten mit Persönlichkeiten, Verstand und Gefühlen sind.
Und wissen Sie, glücklicherweise ging ich auf die Universität, ohne zuvor ein College besucht zu haben oder, besser gesagt: glücklicherweise studierte ich die Schimpansen, ohne zuvor auf einem College studiert zu haben, denn diese meine Art, wie ich Schimpansen studierte, war vollkommen neu, das hatte zuvor niemand so gemacht …
Das ist ein sehr interessanter Gedanke – denn auch Arno Stern, den ich vorhin erwähnt habe, begann, nachdem er mit 17 Jahren vor den Nazis in die Schweiz geflüchtet war und dort viele Jahre in einem Anhaltelager verbracht hatte, in der Zeit danach in Paris ohne formelle Ausbildung mit Kindern zu malen. Und auch er meinte: Hätte er die Chance einer akademischen Ausbildung gehabt und ergriffen, hätte er wohl aufgrund dieser später nie jene Entdeckungen machen können, die er letztlich durch seine Unvoreingenommenheit Kindern gegenüber gemacht hat.
Wie wahr! Genau so war es bei mir. Wäre ich auf ein College gegangen, hätte ich vielleicht zwar darauf bestanden, dass Tiere eine Persönlichkeit und so weiter haben – aber ich hätte mich wahrscheinlich nicht darüber zu schreiben getraut … oder nicht zumindest nicht so, wie es war. So aber konnte ich den Durchbruch machen …
Wann und wie, würden Sie sagen, hat dieser Samen der Liebe und der Verbundenheit zur Natur und dieser Forschergeist in Ihnen zu wachsen begonnen?
Jeder fragt mich das (lacht) … ich wurde damit geboren! Ich wurde damit geboren und dann hatte ich das Glück, eine Mutter zu haben, die all das unterstützte. Aber lassen Sie mich zwei Erlebnisse aus meiner Kindheit erzählen:
Als meine Mutter beispielsweise einmal bemerkte, dass ich eine rechte Menge von Regenwürmern mit ins Bett genommen hatte, sagte sie: „Jane, es sieht so aus, als würdest du darüber staunen, wie sie sich ohne Füße bewegen können …“ Wissen Sie, so viele andere Mütter wären ob des Drecks und Schmutzes in meinem Bett zornig geworden, aber sie sagte nur: „Jane, lass sie wieder frei, sie werden hier sterben, denn sie brauchen die Erde.“ Und so brachten wir sie zurück in den Garten.
Und dann einmal, als ich vier Jahre alt war und wir noch in London lebten – wo es also nicht sehr viele Tiere gab – nahm sie mich mit auf einen Urlaub am Bauernhof. Ich erinnere mich an Schweine, Pferde auf der Wiese und Hühner, die um den Hof herum pickten. Sie gaben mir eines Tages die Aufgabe, die Hühnereier einzusammeln. Also sammelte ich – ganz glücklich – die Hühnereier in einem Korb und begann herumzufragen: „Wo kommen denn die Eier raus aus den Huhn?“ Denn so ein großes Loch konnte ich bei keinem Huhn entdecken … aber keine der Antworten, die ich erhielt, konnte mich zufriedenstellen.
An was ich mich dann noch ganz lebhaft erinnern kann, war dieses eine braune Huhn, das im Hühnerhaus verschwand, wo sie alle ihre Eier legten und ich dachte: „Ah – sie wird jetzt sicherlich ein Ei legen!“ Ich muss wohl so gedacht haben, denn ich bin hinter ihr hergekrochen – was natürlich ein großer Fehler war, denn sie flog mit großem Geschrei und großer Angst wieder aus dem Stall hinaus. Und wieder – mein kleines vierjähriges Gehirn muss sich gedacht haben: „Kein Huhn wird in diesem Hühnerhaus ein Ei legen, wenn es Angst hat. Also ging ich in ein leeres und wartete. Und ich wartete stundenlang. Inzwischen begannen alle, mich zu suchen, denn sie hatten keine Idee, wo ich sein könnte. Als es dann Abend wurde, rief meine Mutter die Polizei. Sie können sich also vorstellen, wie beunruhigt sie inzwischen war – und dennoch: als sie das aufgeregte und gänzlich mit Stroh bedeckte kleine Mädchen auf das Haus zulaufen sah – anstelle ärgerlich zu werden, setzte sie sich nieder, um sich die Geschichte davon anzuhören, wie ein Huhn ein Ei legt.
Für mich bedeutet das: so entstehen kleine WissenschaftlerInnen 🙂 Was es dazu benötigt: die Neugier (die jedes Kind hat), Fragen stellen zu können, nicht die gewünschten Antworten zu bekommen, den Entschluss, es selbst rauszufinden, Fehler zu machen, nicht aufzugeben und sich in Geduld zu üben, Erwachsene wie meine Mutter. Eine andere Mutter hätte diese wissenschaftliche Neugier vielleicht zerstört und ich hätte nie gemacht, was ich später gemacht habe …
Die meisten Schulen tragen dann später auch nicht gerade dazu bei, die Talente der Kinder zum Blühen zu bringen, sondern stellen die „Leistungen“ in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen und drängen die Kinder dazu, vorgegebene Ziele und Lehrpläne zu erfüllen. Eine fiktive Frage an Sie: Wenn es ein weltweites Ministerium für Bildung oder Erziehung gäbe und Sie würden dieses leiten – welche Dinge würden Sie auf der Stelle verändern?
Ich würde es zur Pflicht machen, dass Kinder Zeit in der Natur verbringen – um diese verstehen zu lernen und dann über sie schreibend und zeichnend zu zeigen, was sie gelernt haben. Es ist ja nun auch wissenschaftlich erwiesen, dass für eine gesunde psychologische Entwicklung der Kinder der Aufenthalt in der Natur unglaublich wichtig ist.
Ich würde auch diese endlosen Tests beenden, denn um diese zu bestehen, stopfen die Kinder die Köpfe mit Fakten voll – nur, um gute Noten zu bekommen. In den meisten Fällen wird auf diese Weise Gelerntes ohnehin schnell wieder vergessen – abgesehen davon, dass vieles wahrscheinlich von Anfang an nur unnützes Wissen war.
Ich würde mir wünschen, dass Lehrer jedem einzelnen Kind mehr Zeit zugestehen, um an jenen Themen arbeiten zu können, welche das Kind wirklich interessieren. Eingebettet sollten die Interessen der Kinder dann in ein Grundwissen über alle anderen Fächer sein, so dass sie letztlich ihr eigenes Interesse als Teil eines großen Bildes zu sehen lernen. All das würde kleinere Klassen und mehr inspirierte Lehrer erfordern – wobei die Inspiration ja meist nur durch eine ausufernde Bürokratie oder aktuelle Lehrplanerfordernisse erstickt wird.
Und gerne würde ich – natürlich – die roots&shoots-Lehrpläne an allen Schulen implementiert sehen, so dass die Kinder das miteinander Verbunden-Sein aller Dinge verstehen und Respekt füreinander wie auch allen anderen Lebewesen gegenüber aufbringen lernen.
„Roots&shoots“ („Wurzeln und Sprösslinge“) – jene Organisation, die Sie 1991 für Kinder und Jugendliche gegründet haben, damit diese in Gruppen eigene Ideen und Projekte im Bereich Natur- und Umweltschutz umsetzen können, ist ja inzwischen in über hundert Ländern aktiv!
Ja, in manchen Ländern sind es zwar nur einige Gruppen, aber zusammen ist dieses Netzwerk nun schon in hundert Ländern aktiv, sogar in China … Stellen Sie sich vor – dort sind über 2000 Gruppen tätig! Bei meinem letzten Besuch in China waren da viele Leute, die auf mich zukamen und sagten: „Wissen Sie, natürlich sorge ich mich um die Umwelt, ich war in der Volksschule in ihrem roots&shoots-Programm tätig. Natürlich engagiere ich mich für Tiere, denn ich sah in der Volksschule ihre National-Geographic-Dokumentationen …
… sogar in China …
Ja, denn es ist ein sehr innovatives Programm. Es ist das einzige Programm, das ich kenne, das sich a) über alle Altersgruppen erstreckt, b) über alle Kulturen erstreckt und c) junge Menschen dazu auffordert, ihr EIGENES Projekt zu gestalten und umzusetzen – es muss sich allerdings auf eines der drei Themen „Tiere“, „Menschen“ oder „Umwelt“ beziehen.
Am Ende ihres Buches „Grund zur Hoffnung“ schreiben Sie: „Jedes Individuum zählt. Jedes Individuum spielt eine wichtige Rolle. Jedes Individuum trägt zur Veränderung bei.“
… und macht einen Unterschied an jedem einzelnen Tag!
Die Sätze erinnern mich ein wenig an ein Zitat von Gandhi: „Sei du selbst die Veränderung, die du in der Welt sehen möchtest.“ Und es gibt wohl keine bessere Art und Weise mit Kindern zu arbeiten, als ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Fähigkeiten zu erproben und sich bewähren zu können …
Ja – und sie anzuhören, sie zu ermächtigen und sie zu ermutigen, aktiv zu werden. Sie gewahr werden zu lassen: Wenn nur ich etwas unternehme, wird die Veränderung klein sein und als Gruppe wird sie schon größer sein. Aber dann, wenn du weißt, da gibt es weltweit Gruppen mit derselben Leidenschaft für ähnliche Themen – dann realisierst du plötzlich: Wir sind die Veränderung!
Deshalb ist es so wichtig, Kinder zu ermächtigen, aktiv werden zu können und zu ermutigen. Ich erinnere mich daran, mit einigen Kindern in Nepal gesprochen zu haben, sie waren – wissen Sie – aus der untersten Kaste. Diese Kinder wurden gezwungen, in Salz-Minen zu arbeiten und sie gingen auch nicht zur Schule. Einige roots&shoots-Freiwillige haben mit ihnen gearbeitet, versuchten, ihnen zu helfen. Ich hatte ein Gespräch mit ihnen, es wurde übersetzt, und plötzlich begann ein Mädchen zu weinen. Das Mädchen war ungefähr 13 Jahre alt und wir fragten sie: „Warum weinst du?“ Und sie sagte: „Noch nie zuvor hat mir jemand gesagt, dass ich als Person zähle …“ Das ist schrecklich, nicht? Und davon gibt es wohl Tausende von Kindern weltweit in diesen ganz armen Gemeinschaften …
Und es ist so wichtig, dass roots&shoots in verschiedenen Ländern verschieden arbeitet, sogar in verschiedenen Teilen von Ländern verschieden arbeitet. Denn natürlich wählen Kinder, die in der Innenstadt leben andere Projekte als jene im ländlichen Nepal …
In einem anderen Interview meinten Sie, sehr gerne würden Sie einmal ein Buch über roots&shoots und all die wunderbaren Projekte dorten schreiben – ist das immer noch eine Idee oder …
Es ist leider immer noch nur eine Idee, denn zur Zeit reise ich SO VIEL (lacht) … Ich bin in den letzten Jahren immer mehr als 300 Tage im Jahr unterwegs gewesen und es war einfach keine Zeit dafür, Bücher zu schreiben … aber über roots&shoots wird einmal geschrieben werden !
Die nächste Ausgabe dieses Magazins wird unter dem Thema „Neue Medien / Smartphones“ erscheinen. Über viele Jahre hinweg haben Sie vier Gründe angegeben, die Ihnen Hoffnung auf eine lebenswertere Zukunft für alle Menschen auf dieser Erde geben. Erst viel später haben Sie einen fünften Punkt, jenen der „neuen Medien“ hinzugefügt …
Ja, ich habe inzwischen fünf Gründe dafür … (lacht)
Wie kam es, dass Sie in die „grenzenlose Reichweite neuer Medien“ so große Hoffnungen setzen?
Es gibt so viele Beispiele, wie Menschen durch die neuen Medien (social media) Tausende oder Millionen von anderen Menschen für ihre Anliegen erreichen und so auf diese Weise die Welt verändern können.
Schauen Sie – ich war beispielsweise auf einem dieser Klima-Märsche in New York, die von Al Gore organisiert wurden. Die Organisatoren rechneten mit 80.000 Menschen – aber letztlich waren dann beinahe 400.000 dort. Ich war dort und so sah ich, wie das geschah. Alle dort tippten Nachrichten in ihre Handys und alle sagten sie mehr oder weniger: Du solltest wirklich kommen und zu uns dazustoßen, es ist unglaublich, was hier passiert … und so viele berühmte Leute! Ich hörte eine Person sagen: „Gerade sah ich Leonardo DiCaprio!“ Und eine andere Person sagte: „Jane Goodall ist auch hier!“ (lacht) … Und solche Dinge geschahen in allen großen Städten rund um die Welt …
Und obwohl wir genau wissen, wie schädlich die neuen Medien sein können – dennoch sind sie eine Möglichkeit, Menschen, die sich mit einer Leidenschaft für ein Thema wie beispielsweise „Klimawandel“ engagieren, zusammenzubringen und sich gegenseitig Kraft und Unterstützung zu geben. Wir verwenden also die neuen Medien für gute Zwecke, wir verwenden sie, um unsere Botschaft hinaus in die Welt zu tragen.
Im Bewusstsein auch um die großen Gefahren, die die neuen Medien in sich bergen …
Ja, aber so ist es doch mit vielen Dingen, nicht?
Und wie viele Leute erreiche ich doch mit meinem Blog mit dem Titel „Jane Goodall´s Good for All News“ …
Was gibt Ihnen zur Zeit sonst noch große Hoffnung?
Als ich damals meine Arbeit im Gombe-Stream-Nationalpark in den 60er-Jahren begann, war er Teil eines riesigen Waldgürtels, der sich quer über ganz Afrika hin erstreckte. Als ich 1994 mit einem Flugzeug über den kleinen Nationalpark – er ist nur 35 Quadratkilometer groß – hinwegflog, war er nur mehr eine kleine Wald-Insel, umgeben von gänzlich kahlen Hügeln und es lebten mehr Menschen dort, als das Land ernähren konnte.
Ich war ganz schockiert … und das war der Initiationspunkt, als das Jane-Goodall-Institut (JGI) dort begann, das TACARE-Programm aufzubauen. Es war das erste dieser Art und es war ganzheitlich, weil: Wir gingen nicht nicht durch die Dörfer um Gombe herum wie ein Trupp weißer arroganter Leute, die sagen: „Oh, ihr habt da ein ziemliches Durcheinander in euer Leben gebracht und das und das werden wir jetzt machen, um die Dinge für euch zu verbessern.“ Wir gingen hin mit einem Team von Tansanianern, ausgewählt aus der lokalen Bevölkerung, die hatten schon mit NGOs gearbeitet und die waren nicht bedrohlich. Diese gingen also in die Dörfer – in 12 davon rund um Gombe herum – und fragten die Ältesten: Was glaubt ihr, könnte das JGI tun, um euer Leben zu verbessern? Wir begannen mit der Frage, was sie wollten – nicht damit, was wir dachten, was wohl das Beste für sie wäre. Und so wuchs das Netzwerk langsam, es sind jetzt 72 Dörfer um Gombe herum involviert und das TACARE-Programm breitet sich schon im größeren Gombe-Öko-System aus. Wir arbeiten mit den Menschen vor Ort, um deren Leben zu verbessern, ohne dass diese die Wälder zerstören müssen. Und wir pflanzen die Wälder wieder neu an – es gibt jetzt keine kahlen Hügel mehr um Gombe herum, die Bäume und die Wälder sind zurück 🙂
Ein Zitat von Albert Einstein lautet: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ Was für eine Art von Denken oder Bewusstsein wäre notwendig, um gegen die (Umwelt-) Probleme unserer Zeit anzukommen? Wie müsste dieses Bewusstsein beschaffen sein?
Um die Probleme zu lösen, brauchen wir eine neue Art des Denkens. Wir müssen beginnen, in den Preis, den wir für Essen und andere Gebrauchsmittel zahlen, die wahren Kosten der Natur, der Menschen und der Tiere mit einzubeziehen. Wir müssen über die Konsequenzen nachdenken, die wir jeden Tag, zum Beispiel beim Einkauf, mit unserer Wahl machen: Wie wurde es gemacht? Hat es der Umwelt, den Tieren in den Tierfabriken Schaden zugefügt – oder den Menschen? Ich denke da an Kinderarbeit oder Ausbeutungsbetriebe, „sweat shops“ genannt, oder Ähnliches.
Wenn wir eine Entscheidung treffen, ist es notwendig, an zukünftige Generationen zu denken … und wenn wir eine Wahl treffen, dann nicht mit einem Blick darauf, wie es uns einen unmittelbaren raschen Gewinn einbringen könnte oder mit dem Blick auf das nächste Aktionärstreffen oder die nächste politische Kampagne. Es gilt zu verstehen, dass wir zwar Geld zum Leben brauchen, es sich aber ins Gegenteil verkehrt, wenn wir fürs Geld leben.
Wir müssen verstehen: Wenn wir in der gewohnten Art zu leben fortfahren, werden wir die natürlichen Ressourcen unseres Planeten unwiderruflich zerstören. Die natürlichen Ressourcen sind endlich, aber wir fahren fort, sie auf Kosten zukünftiger Generationen zu verbrauchen und zu missbrauchen.
Wir müssen verstehen: Mehr und mehr und mehr Geld zu machen macht uns nicht glücklicher. Wir brauchen Zeit für unsere Familien und Freunde, Zeit zum Lachen oder einfach fürs Zusammensein. Es gilt die Tatsache zu verstehen, dass wir ein Teil der Natur sind und wir diese für die Zukunft der Spezies Mensch benötigen. Wir müssen den Raubbau an der Zukunft unserer Kinder beenden.
Mit einem Satz?
Wir müssen wieder lernen, mit dem Herzen zu denken.
Vielen Dank für das Gespräch.
Gerne.